Ein paar Meter vor dem Hauseingang zu meinen Ausstellungsräumen sehe
ich an der Hauswand im Vorbeigehen eine Taube mit ausgebreiteten Flügeln
am Boden sitzen. Sie lebt, kann jedoch nicht wegfliegen. Spontan schnappe ich
mir aus meiner Tasche eine Stofftragetasche und umhülle sie damit: Das
hat den Vorteil, dass sie nicht flattert und ich sie nicht anfassen muss.
Nun stehe ich da, in der einen Hand die "eingewickelte" Taube, in der anderen Hand meine
vollgepackte Tasche, denn ich bin in Ausstellungsvorbereitungen und mit
dem lieben André Teske wegen der Videoinstallation verabredet.
Der Gang zum Tierarzt in der Nähe war erfolglos, er öffnet die
Praxis erst in 30 Minuten. Also zurück zu meinen Ausstellungsräumen,
wo ich André mit Herbert treffe. Die beiden werkeln an der Vertonung des
Videotextes während ich mit einem Tierarzt telefoniere: Er meinte, dass
er keine Wildtiere behandelt und die Taube auch nicht auf Verletzungen
untersucht! Ich könnte jedoch zum Einschläfern selbiger vorbeikommen,
kostet ca. 11 €. Also ungesehen würde er die Taube einschläfern...
Er riet mir dann noch ab, zur Uniklinik in MUC zu fahren, denn da würde ich
einen "Anschiß" erhalten, wenn ich mit der Taube komme, ausserdem würde es
teurer (die Taube einzuschläfern)! Ich weiß, dass es Taubenplagen gibt,
doch aktuell ist mir in MUC nix dazu bekannt. Trotzdem: Die Taube ist ein Lebewesen.
Sollte sie irreparabel verletzt sein, klar, dass sie dann eingeschläfert
werden soll, um ihr weiteres Leiden zu ersparen. Auch wird eine aufwändige
und teure Behandlung vermutlich nicht angebracht sein, aber OHNE Untersuchung
einfach totspritzen, da stellen sich bei mir die Nackenhaare auf. Ausserdem
sagte mir der Tierarzt, dass ich dann die tote Taube mitnehmen kann/muss/soll???
Wunderbare Aussichten...
Dank meiner Tierurnen habe ich besten Kontakt zum Münchner Tierkrematorium;
eine freundliche Dame empfiehlt mir telefonisch das Tierheim, das gleich daneben ist. Ich rufe an und
kann vorbeikommen. So fahre ich per U-Bahn, Tram und Bus bis nach Riem. Dabei
gehen mir ein paar Gedanken durch den Kopf: Seltsam, weisse Hochzeitstauben
und Zuchttauben werden gehätschelt und gepflegt und eine Stadttaube
wird als "Ratte der Lüfte" bezeichnet, nur weil sie ein graues Federkleid hat...
Gerade rechtzeitig komme ich an, sodass noch eine Tierpflegerin anwesend ist. Sie
prüft die Flügel und untersucht mein "Fundstück" und kann KEINE
äussere Verletzung feststellen. Vielleicht ist die Taube ja nur gegen eine
Glasscheibe geflogen und war deshalb "bedeppert" am Bürgersteig? Ich darf
ein Formular ausfüllen, dann kommt mein Täubchen in einen eigenen Raum,
wo sich weitere Tauben in Käfigen befinden, die dort medizinisch versorgt
werden. Mein kleiner Liebling ist mir nach rd. 2 Std. "Taube-in-der-Hand-halten"
ans Herz gewachsen: Durch die Stofftragetasche fühlte ich ihre Körperwärme,
ihre Bewegung, sie drehte immer wieder ihr Köpfchen in meine Richtung und sah
mich an... Im Tierheim sitzt sie nun bestens mit Futter und Wasser versorgt
in einem Käfig und wird morgen vom Tierarzt untersucht. Ich darf anrufen
und mich nach ihrem Befinden erkundigen! Happy fahre ich zurück und treffe
den lieben André und den lieben Herbert. Irgendwie gab es ein technisches Problem,
das es so nicht geben dürfte - aber ich bin sicher, dass die beiden das
in den nächsten Tagen hinbekommen.